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Jedes Kind zeigt schon im Mutterleib primitive Reflexe, die sich im Laufe der frühkindlichen Entwicklung manifestieren und in späteren Entwicklungsphasen wieder auflösen. Sofort nach der Geburt prüfen Ärzte und Hebammen die frühkindlichen Reflexe, die Aufschluss über den Gesundheitszustand und die neurologische Aktivität geben. Im weiteren Verlauf der frühkindlichen Entwicklung sind bestimmte Reflexe Indikatoren für Fortschritte und mögliche Störungen. In der Kinderosteopathie gebührt den auftretenden und schwindenden Reflexen bei Babys und Kleinkindern besondere Aufmerksamkeit. Durch gezielte Anregung von Nervenbahnen und Gelenken kann die Mobilisierung des Körpers in frühen Entwicklungsphasen gefördert werden. Wenn Eltern die wichtigsten frühkindlichen Reflexe erkennen, können sie den Entwicklungsstand ihres Kindes leichter einschätzen. Treten Störungen auf, kann so zeitig ein Arzt konsultiert werden.

Was sind primitive Reflexe?

Reflexe sind automatisierte Reaktionen des Körpers auf externe Reize. Sie werden vom zentralen Nervensystem gesteuert und funktionieren völlig unabhängig vom Großhirn. Primitive Reflexe sind für die Anpassung des Embryos im Mutterleib notwendig und entwickeln sich früh. Sie ermöglichen Säuglingen außerdem lebensnotwendige Handlungen nach der Geburt, bevor das Gehirn sich vollständig entwickelt. Ein Großteil der frühkindlichen Entwicklung bis zum 18. Lebensmonat wird durch Reflexe gesteuert. Sie sind sozusagen das Navigationssystem für die Entwicklung natürlicher kognitiver und motorischer Leistungen, zum Beispiel für die Bewegung und die Wahrnehmung. Die im sogenannten Reptilienhirn verankerten Reflexe des Menschen lassen sich in Eigenreflexe und Fremdreflexe unterteilen. Bei Fremdreflexen liegt der auslösende Reiz außerhalb des Organismus, wie Licht, Berührungen oder Wärme. Eigenreflexe werden durch Reize innerhalb eines Organs ausgelöst, wie zum Beispiel die Atmung.

Welche primitiven Reflexe steuern die Nahrungsaufnahme nach der Geburt?

Gesunde Kinder werden sofort nach der Geburt zum ersten Mal gesäugt und können die dazu nötigen Bewegungsabläufe automatisch ausführen. Drei verschiedene primitive Reflexe fungieren dazu zusammen. Treten neurologische oder motorische Störungen wie zum Beispiel ein verkürztes Zungenbändchen auf, können die Reflexe nicht richtig ausgeführt werden. Es entstehen Spannungen. Sogenannte Schreibabys leiden häufig unter Problemen beim Stillen, wenn diese drei wichtigen primitiven Reflexe zur Nahrungsaufnahme gestört werden:

  • Der Suchreflex oder auch Rootingreflex tritt in den ersten 30 Minuten nach der Geburt besonders stark auf und bleibt bis zum dritten bis vierten Lebensmonat erhalten. Er wird ausgelöst, wenn der Kopf und vor allem die Wangen des Kindes berührt werden. Reflexartig wenden Neugeborene selbst im Schlaf den Kopf hin zur mütterlichen Berührung und öffnen den Mund. Auch bei Fläschchenernährung wird der Reflex ausgelöst, wenn das Fläschchen in der Nähe wahrnehmbar ist.
  • Der angeborene Saugreflex beim Baby wird ausgelöst, wenn die Lippen oder die Zungenspitze berührt werden. Babys oder auch Kälbchen, Rehkitze und anderer Säugetier-Nachwuchs fangen bei Berührungen der Lippen automatisch an, zu saugen. Durch die Saugbewegung der Lippen entsteht ein leichter Unterdruck. So gelangt die Milch aus der Brustwarze der Mutter oder aus dem Fläschchen in die Mundhöhle. Mit etwa einem Jahr verliert sich der Reflex beim Menschen, bei anderen Säugetieren ist er früher verschwunden.
  • Der Schluckreflex bleibt bei gesunden Menschen das ganze Leben erhalten und aktiviert die sogenannte Schlundkopf-Muskulatur im Rachen, die Nahrung und Wasser aus dem Mundraum in die Speiseröhre befördert, wo Eigenreflexe für den Transport in den Magen sorgen. Rezeptoren für den Schluckreflex liegen im Rachen, an der Zunge und an den Gaumenbögen.

Wie beeinflusst der tonische Labyrinthreflex das Gleichgewicht von Babys?

Der tonische Labyrinthreflex tritt schon im Mutterleib auf und ist bis zum dritten Lebensmonat rein physiologisch. Später wirkt er sich auf die Augenmuskelfunktion, den Gleichgewichtssinn, die räumliche Orientierung und die räumliche Wahrnehmung aus. Der Reflex bewirkt, dass der Körper des Kindes sich entgegen der Schwerkraft aus einer fötalen Haltung in eine gerade Haltung begibt. Dies ist für eine komplikationsfreie Geburt unerlässlich. Nach der Geburt bewirkt der vorwärtsgerichtete TLR, dass der gesamte Körper sich neigt. Andersherum bewirkt eine Streckung des Kopfes nach oben den Wechsel in die gerade Körperhaltung. Besteht der tonische Labyrinthreflex nach dem dritten Lebensmonat, kann sich dies negativ auf die Entwicklung des Gleichgewichtssinns und der räumlichen Orientierung auswirken. In der Kinderosteopathie wird der Bewegungsapparat des Säuglings durch sanfte Palpation mobilisiert. Das fördert die Entwicklung des TLR und ermöglicht somit frühes aufrechtes Sitzen und Gehen.

Warum ist der asymmetrisch-tonische Nackenreflex wichtig für die frühkindliche Entwicklung?

Die Entwicklung vom hilflosen Säugling zum gesunden Kleinkind hängt stark von der Mobilität des Kindes ab. Das Erreichen einer aufrechten Körperhaltung und die Möglichkeit zu krabbeln sind wichtige erste Schritte. Hierauf baut die weitere kognitive und motorische Entwicklung auf. Ein wichtiger angeborener Reflex bei Babys ist der asymmetrisch-tonische Nackenreflex, der durch Drehungen des Kopfes ausgelöst wird. Neigt das Baby den Kopf nach rechts, werden automatisch der linke Arm und das linke Bein angezogen. Auf der rechten Körperseite werden Arm und Bein gleichzeitig gestreckt. Wird der Kopf nach links geneigt, strecken sich automatisch Arm und Bein der linken Seite und die rechte Seite wird angezogen. Der ATNR sollte sich nach etwa 6 Lebensmonaten auflösen. Ansonsten kann er das aufrechte Sitzen, das Drehen auf den Bauch und das Krabbeln einschränken. Durch Anregung des zentralen Nervensystems kann die Entwicklung von Kindern mit verzögertem ATNR gefördert werden.

Hängt der Schreitreflex mit dem Erlernen des aufrechten Gehens zusammen?

Bis etwa zum zweiten Lebensmonat tritt bei Neugeborenen der sogenannte Schreitreflex auf, wenn sie aufrecht gehalten werden und festen Boden unter den Füßen spüren. Die Beine führen automatisch schrittähnliche Bewegungen aus, was nichts mit einem tatsächlichen Wunsch zu gehen zu tun hat. Die Bedeutung von Reflexen wie dem Schreitreflex ist nicht ganz aufgeklärt. Da sich der Reflex kurz nach der Geburt zurückbildet, scheint er nur für die fötale Entwicklung im Mutterleib wichtig zu sein. Das Fehlen des Schreitreflexes nach der Geburt kann auf mögliche Entwicklungsstörungen hinweisen. Im Alter von 10 bis 12 Monaten entwickeln Kinder unter Beteiligung weiterer Hirnareale den Wunsch, sich aufzurichten und mobiler zu werden.

Welche Funktion hat der Moro-Reflex?

Der Moro-Reflex tritt bei vielen Reptilien und Säugetieren auf und wird auch Umklammerungsreflex genannt. Bei Babys wird er durch ruckartige Bewegungen des Oberkörpers ausgelöst. Gerät der Körper aus dem Gleichgewicht, streckt der Säugling automatisch Arme und Beine und öffnet den Mund, um sie anschließend wieder anzuziehen. Dieser Reflex dient bei Traglingen wie Primaten dazu, dass der Nachwuchs nicht herunterfällt. Evolutionsbiologisch ist der Moro-Reflex ein deutlicher Hinweis darauf, dass Menschen von Primaten abstammen, die ihren Nachwuchs dauerhaft herumtragen. Die Bedeutung von Reflexen wie dem Moro-Reflex wurden in der Erziehungslehre lange unterschätzt. Das Auftreten und Auflösen des Reflexes kann Aufschluss über mögliche Entwicklungsprobleme geben und mit osteopathischen Übungen gefördert werden.

Woher kommt der Greifreflex beim Baby?

Die Bedeutung von Reflexen bei Neugeborenen ist häufig evolutionsbiologisch erklärbar. Der bekannteste Reflex beim Neugeborenen ist der Greifreflex, der bei Berührungen der Handinnenfläche ausgelöst wird. Die Hand des Babys greift automatisch zu, wenn es etwas zum Zugreifen gibt. Auch dieser Reflex lässt sich durch unsere Primaten-Vorfahren erklären: Junge Primaten sowie andere Säugetiere greifen sich im Fell ihrer Mutter fest, um sich vor dem Fallen zu schützen. Der Palmarer Greifreflex wirkt sich wie der Moro-Reflex auch auf die Mundmuskulatur aus und bewirkt, dass der Mund sich öffnet. Beide Reflexe sind wichtig für eine gesunde Sprachentwicklung beim Kind. Bleiben die Klammer- und Greifreflexe bis über den 6. Lebensmonat hinaus bestehen, kann das zu Verzögerungen bei der Sprachentwicklung führen.

Kann die Entwicklung von frühkindlichen Reflexen gefördert werden?

Primitive Reflexe sichern das Überleben für Säuglinge, bis sich das vegetative Nervensystem und das limbische System voll entwickelt haben. Ohne Denkanstrengung können Babys dank ihrer primitiven Reflexe Nahrung aufnehmen und sich bewegen. Reift das Gehirn im Laufe der ersten 1,5 Jahre voll heran, übernehmen größtenteils andere Areale die vom Reptiliengehirn gesteuerten Funktionen. Für eine gesunde Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern ist gutes Timing deshalb unerlässlich. Innerhalb der ersten 6 Lebensmonate sollten sich viele primitive Reflexe allmählich oder spontan auflösen. So kann das Gehirn diese Funktionen übernehmen und sich ungestört entwickeln. Die Bedeutung von Reflexen ist in der Osteopathie unumstritten. Das zeitige Auftreten und Auflösen von Reaktionen kann Aufschluss über mögliche neurologische und motorische Schwierigkeiten geben. Mit osteopathischen Praktiken kann die Entwicklung der frühkindlichen Motorik gezielt gefördert werden. Das wirkt sich auf die Wahrnehmung, die Sprachentwicklung und die emotionale Entwicklung aus.

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